„Dank“ unserer neuen Hausgenossin Lena muss ich jetzt jeden Morgen früh aufstehen. Um ca. 5.30 Uhr. Sie blökt sonst das ganze Dorf zusammen, weil sie aus der Galerie heraus will. Es ist dann kurz vor Sonnenaufgang. Nachdem ich die Galerie ausgefegt und mich geduscht habe, setze ich mich in den Schaukelstuhl auf die Terrasse und beobachte mit den Tieren den Sonnenaufgang. Manchmal ist auch Jenny dabei. Ihre Eltern gehen dann zur Arbeit und sie bringt mir aus dem Nachbarhaus einen Kaffee. Max hingegen schläft in der Regel bis 8.00 Uhr.
Jenny und Raquel bekochen uns übrigens immer noch und machen auch den Abwasch. Darüber hinaus haben sie schon ein paar Mal die Betten gemacht und das ganze Haus aufgeräumt. So sehr mich ein Abenteuer mit Jenny reizen würde, so wäre die Beziehung mit Sicherheit nicht von Dauer. Zum Einen liebt sie die Stadt mehr als das Land, scheucht die Tiere und zankt unentwegt mit Max und zum Anderen macht sie sich über eine Frau im Dorf lustig, die offensichtlich geistig minderbemittelt ist. Immer wenn diese Frau vorbeikommt, treibt sie ihre Späße und ihren Spott mit ihr. Darüber hinaus ist sie sehr eitel. Sie will immer wissen, wen ich schöner finde; sie oder Raquel. Mit Jenny könnte ich mir schon jetzt eine Beziehung vorstellen, mit Raquel hingegen „erst“ in zwei Jahren.
Raquel ist aber wesentlich intelligenter und sie kommt auch mit Max und den Tieren viel besser zurecht. Außerdem spielen wir die Brett- und Kartenspiele ausschließlich mit Raquel. Jenny sagt zwar sie habe keine Lust dazu, ich nehme aber eher an, dass sie die Spiele gar nicht begreift.
Letzte Woche sind wir zum ersten Mal mit dem „taxi puplico“ gefahren. Raquel fuhr mit uns zur Kirche und zeigte uns dabei, wie dieses Transportsystem funktioniert. Ihr gefiel die Kirche so sehr, dass sie den nächsten Sonntag auch mitkommen wollte. Dieses Mal war aber auch Jenny mit von der Partie und wir fuhren mit meinen Jeep. Und der Bischof war auch wieder in der Gemeinde. Ich bilde mir ein, dass er nur unseretwegen kam, um zu sehen ob wir auch zur Kirche kommen.
Immerhin hat er über 25 Gemeinden in der Dom. Rep. zu betreuen und darüber hinaus noch Gemeinden in Haiti und Puerto Rico. Und innerhalb von drei Wochen kommt er gleich zwei Mal in die gleiche Gemeinde. Zur Erinnerung: Das erste Mal war ich nicht da und er stellte mir gleich die peinliche Frage: „Wo warst Du?“
Am Ende des Gottesdienstes lade ich ihn zum Essen ein. Er fragt mich, ob ich auch kochen könne. Und ich verweise ihn dann gleich auf meine beiden schönen Nachbarinnen zu meiner linken und rechten Seite.
Direkt danach fahren wir also erst einmal zum nächsten Supermarkt, um groß einzukaufen, weil wir ja Gäste erwarten. Ihr habt richtig gehört: Einkaufen am Sonntag!
Das ist in diesem Land normal. Und zu einem ordentlichen Gastmahl gehört natürlich auch Wein. Weil ich keinen Wein in Flaschen finde, kaufe ich ihn also in den hier handelsüblichen Plastikgallonen.
Warum nur kann ich mich nicht auf Bier und Rum beschränken. Getränke die hier üblich sind. Der Wein schmeckt wie Zuckerwasser und verursacht hinterher Kopfschmerzen und Sodbrennen. Die reinste Giftbrühe für jemanden, der lange Zeit in der deutschen Weinhauptstadt Rüdesheim am Rhein gewohnt hat.
Meinen Gästen mundet er aber trotzdem gut. Für mich ist das Anbieten des Weines nebenbei auch ein Test, ob der Bischof sich ebenfalls so komisch anstellt mit dem Trinken von Alkohol, wie die meisten seiner Landsleute, die „besonders“ christlich sein möchten. Die übertriebene Verteuflung des Alkohols erscheint mir sehr pharisäerhaft. Der Bischof ist aber kein Pharisäer.
Es ist sehr angenehm bedient zu werden, denn so kann ich mich auch mit meinem Besuch unterhalten. Neben dem Bischof kommen noch Felix und zwei Priester der Gemeinde Santiago vorbei. Erst sitzen wir auf meiner schattigen und kühlen Terrasse in den Schaukelstühlen und als das Essen fertig ist, bringen wir auch den Esstisch und die Stühle auf die Terrasse heraus.
Bei der kleinen sanften Brise die hier ständig weht, ist dies ein reiner Genuss. Im Hintergrund sieht man die Berge und im Vordergrund grüne Wiesen. Meine Hunde sitzen zu meinen Füßen und während wir uns noch in den Schaukelstühlen unterhalten, kommt Lena vorbei und steckt wieder ihren Kopf in meinen Schoß um sich kraulen zu lassen. Das macht sie so immer fünf Minuten lang, bevor sie sich neben meine Füße legt, um wiederzukäuen.
Zum Bischof gewandt sage ich:
Ich: „Bei Felix bin ich mir nicht so sicher, ob er unseretwegen so häufig kommt oder ob ihn der Anblick meiner beiden schönen Nachbarinnen so oft hierher lockt.“
Felix: „Du bist ein schlechter Mann Marco! Wie kannst Du nur so etwas Abwegiges von mir denken?“, flachst er zurück.
Der Bischof lobt die Kochkunst und den Service der Mädels über alle Maßen.
Bischof: „Sag mal Marco, wie viel bezahlst Du den beiden Schönheiten eigentlich für diese hervorragende Bewirtung?“
Ich: „Gar nichts! Meine Nachbarinnen bekochen uns jeden Tag, machen auch den Abwasch und räumen mein Haus auf. Einfach weil sie uns so mögen.“
Während ich das noch sage, schäme ich mich ein bisschen über meinen Geiz. Andererseits essen die Mädels aber auch jedes Mal mit uns mit. Und die Speisen habe auch immer nur ich gekauft. „Irgendwie gleicht sich das schon wieder aus.“ denke ich und den Anflug von einem schlechten Gewissen habe ich damit sogleich wieder weggefegt.
Bischof: „Ich bin überrascht, wie gewaltig unterschiedlich die Deutschen sind. Jeder Deutsche, den ich kennen gelernt habe, hat einen vollkommen anderen Charakter. Meine Landsleute sind dagegen fast alle gleich“
Ich: „Dem muss ich aber widersprechen! Viele Ihrer Landsleute betrogen mich von Vorne bis Hinten. Innerhalb von drei Monaten wurden mir z.B. fünf Windschutzscheiben von verschiedenen Mechanikern zerstört und keiner hat bezahlt. Andere behandelten mich dagegen wie einen heiligen Mann. Sie sagten nicht nur: Mein Haus ist Dein Haus, so wie ihr Schwager und Tito, sondern sie benahmen sich auch so!“
Bischof: „Du irrst, Marco, es sind die gleichen Menschen. Sie sehen Dich nur mit unterschiedlichen Augen. Das eine Mal sehen sie dich eben nur als einen reichen Gringo, den man ausnehmen muss. Und weil sie automatisch davon ausgehen, dass Du viel mehr Geld hast als sie, solltest Du deshalb etwas davon abgeben. Es belastet noch nicht einmal deren Gewissen, wenn sie Dich betrügen oder bestehlen. Es wird als eine Art ausgleichende Gerechtigkeit empfunden. Das andere Mal bist Du ein guter Freund. Den betrügt man eben nicht. Es sind aber die gleichen Menschen. Diese freundlichen Menschen werden einen anderen Ausländer genauso betrügen wie die erst genannten Typen Dich betrogen haben, es sind nämlich die gleichen Typen.“
Diese Antwort verblüfft mich einigermaßen.. Hat er tatsächlich eine so geringe Meinung von seinen Landsleuten? Oder ist mein Werteempfinden nicht neutral und zudem zu Kulturbezogen? Kann man das Lügen und Betrügen etwa als festen Bestandteil der dominikanischen Mentalität ansehen? Mich schaudert bei diesem Gedanken.
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Als wir vorletztes Mal von der Kirche in Felix´s Auto zurückfuhren, fragte ihn Darlin, der älteste von seinen Jungs, der bis jetzt noch nie dabei war, weil er von Felix´s anderer Frau ist.
Darlin: „Wo wohnt der Gringo?“
„Gringo“ ist nicht nur die Bezeichnung für einen weißen Ausländer in Lateinamerika, sondern es klingt darüber hinaus sehr abfällig. Ohne jeden Widerspruch ist jeder Ami aus den USA ein Gringo. Und meine liebe Freundin Raquel, die auch im Auto saß, brachte diese Bezeichnung gleich auf die Palme. Sie schrie Darlin richtig an.
Raquel: „Marco ist ein Deutscher und auf keine Fall ein Gringo!“
"Zwei Lausbuben in der Karibik Teil 1
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